El-G: Das Ich als Text in der Fremde

Ein  Flimmern im spannenden Hintergrundrauschen des Weltgeplauders.
Niemand ist gemeint.

Neue Literatur, Prosa, Lyrik, Roman, Online Kunst, verbale Performance, Exposé, Epimetheisch, Erfundene erlogene ausgedachte Geschichten.

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Epimetheisch

Bedeutung: a) erst später mit dem Denken einsetzend b) erst handelnd, dann denkend; unbedacht
Herkunft: griechisch; nach Epimetheus, dem Bruder des Prometheus; „der zu spät Denkende“
Quelle: duden.de

 

11. Januar 2o25
»... und einen Augenblick lang war er glücklich in dem Traum,
aber beim Erwachen fühlte er sich vollständig mit Vogelkacke bespritzt.«

Gabriel García Márquez:
Chronik eines angekündigten Todes

Wahlomat

Dein Geburtstag ist ungültig.
Deine Anfrage wird nicht prozessiert.
Du hast ein Anliegen, doch hier liegst du falsch.

Du bist ein tiny Asset in einem Portfolio.
Du bist mein Zaubertrick deiner Wahrheit
und du bist nicht versichert.

Wünschst du dir, du wärst wichtig oder nur nett?

Ich bin ein Ping, der nicht antwortet.
Ich bin ein Pong, das dich retourniert.
Ich bin eine Variable, bleibe unbestimmt.
Ich bin das Netz, das du nicht verstehst.

Deine Privatsphäre ist mir wichtig.
Du sollst wissen, dass ich alles von dir weiß.
Dir ist bang vor den Nazis nebenan.
Wer fürchtet für das Opfer in dir?

Ich sage, was du kostest.
Ich erlaube, wo du wohnst.
Ich kenne deine Freunde und überzeuge sie, dass es besseres gibt.
Lass sie los. Lass sie ziehen.
Du bist der einzige Nachbar, den du brauchst.

Ich lehre dich, im Erinnern zu vergessen.
Ich nehme dir deine Geschichte, denn sie liebt nur Gewinner.
Dein größtes Talent ist dein Horror vor einem Makel.
Dir bleibt die trockene Patina deiner Timeline geschenkt.

Ich nehme kein neues Vorbild, die Integrität deines Aberglaubens soll reichen.
Ich nehme deine Kinder, sie werden in der Schule klassifiziert.
Ich nehme deine Träume und gebe dir ein Entertainment der Angst.
Ich nehme dir die Rente, deine Zukunft ist bereits im Ruhestand.

Hier ist dein Organspendeausweis.
Verlier dich nicht.

Am Ende des Verstehens beginnt die Hoffnung.
Der laue Kick einer schlampigen Selbstermächtigung.
Ich lüge dich an und du sagst danke.
Ich bin dein Blender und flüster dir,
es wird alles besser für dich.

Pflege den Schwamm der Versprechen, unter dem deine Sehnsucht verschwand.
Verteidige mit allen Waffen der Ignoranz meine Fäden in dir.
Du wirst belohnt mit einem Fan-Fähnchen der Nulllotterie.

Jetzt siehst du ansprechend aus.
Nun warte auf deine Dauerkarte.

Ich sage dir, »dreh dich um«, wenn es bergab geht.
Ich bin die zärtliche Beleidigung deiner Intelligenz.
Ich bin DIE AUGEN GERADEAUS, RECHTSRUM, MARSCH!
Ich bin die Spaßzone, an der du rubbelst, während du ertrinkst.

Du willst wirklich Häppchen dazu?
Gut gewählt, hier ist dein Kredit.

Ich weiß, was falsch läuft, ich habe es bestellt.
Ich bin dein Streichelzoo in einem Kosmos voller Möglichkeiten.
Ich bin dein Hirte und kenne den Weg zum Hairdresser.
Ich bin dein Korridor namens Demokratie, den jemand für dich bezahlt.*

* Vorsicht: Psychoaktiver Sondermüll, bei Fragen zur Entsorgung
wende dich an einen Influencer deines kommerziellen Vertrauens.

Und du hast keine Ahnung, aber einen bunten Stimmzettel.
Also kreuzige dich und sei schön und still.

Und du hast keinen Ausweg, denn dafür müsstest du dich bewegen.
Doch es sitzt sich so hyggelig auf dem Nagelbett hier.

Und du hast keine Wahl, denn um das zu entscheiden,
hast du dich noch nicht erwählt.

Bitte ernte deine Gefühle jetzt.
Danke, dass du den Wahlomat benutzt.

 

 

19. Oktober 2o23

EuroVision Con Test

Ein Lied für Plattitüdistan

Warum bedeutet ein Gedanke alles für mich?
Ich weiß es nicht, war schon immer versessen,
während andere essen,
nährt mich aller Fragen grelles Gewicht.

»Die Erkenntnis wird dich erleichtern«, versprachen sie,
»und die Wahrheit Dich befreien.«
Also lief ich hinter Dreien mit dialektischem Schritt,
nahm noch etwas Hoffnung mit auf einen langen Weg,
der selten gerade war, meistens schräg.

Ein sukzessives Schlingern zwischen Mind und MINT,
meistens gut und schön, gelegentlich mit Gegenwind.
Habe viel gerätselt, viel feuriges Beharren gesehen,
doch das Verharren in Masse und Macht?
Diese Gegenwart kann ich nicht verstehen wollen.

»Krieg!« schreit die pazifizierte Vernunft.
»Ruiniert sie!« zeigt der Geifer nach Osten.
Und auf seinem Posten wogt ein Stockholmer Chor:
»More ammo, more pranks!
Some peace? No, tanks.«

Hey, das ist ein Globus, Baby, wohin Du's auch schickst,
es triftt Deinen Rücken, egal wie Du fixst.
Sie lächelt ein »Das wäre zu beweisen«
und zwinkert herrschaftlich hinter sich
auf das cancelnde Heer mentaler Geiseln.

»Das Tier schaut nicht den Horizont« heideggerte es einst.
Und du weinst, wenn du auf die Straße schaust,
gebäugte Köpfe, deren Blicke auf einem Display kleben,
in der Haltung untergeben, aufgegeben,
frei vom inneren Widerstand,
brüten immanenten Ekel aus,
virtuell und unerkannt,
verspielt affirmativ,
kokett konform,
kaum Troll, kein Cyberpunk.

Und anders war es nie, so war es schon immer: erinner
die geistig moralischen Wenden, die Wände waren.
Dahinter mächtige Gier verborgen und am Morgen,
als als Partikel die eine Mauer fiel, war da nicht viel
übrig: ein bananiger Reisewunsch,
ein prächtiger Beutepunsch,
eine blühende Dystopie.

Ich bin die Maus in Kafkas Fabel.
Keine Erleuchtung am Ende von Babel.

Ich habe keine Heimat, ich habe eine Adresse,
einen Ausweis mit 'nem Foto meiner Fresse.
Erinner' induzierte Bilder von Glück, Familie und Heim
und ahne, in meinem Heim wird ausser mir keiner sein.

Was immer du erreichst und sprengst du alle Ketten,
beim größten Erfolg entgegen allen Wetten,
sei dir gewiss, du wirst die Welt nicht retten.

Waren sie zärtliche Lügner?
Oder wussten sie nichts
vom lähmenden Erkennen,
von der Schwere des Lichts.